Der Vorsorgeauftrag in der Schweiz und die Unterschiede zur Vorsorgevollmacht in Deutschland

Was sind die Unterschiede zwischen dem Vorsorgeauftrag in der Schweiz und der Vorsorgevollmacht in Deutschland? Was muss ich beachten, wenn ich sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz Vermögen habe?

Der Vorsorgeauftrag ist ein privatrechtliches Selbstbestimmungsinstitut, womit die auftraggebende Person eine oder mehrere natürliche oder juristische Personen (z.B. eine Bank oder Organisation) damit beauftragt, für den Fall ihrer Urteilsunfähigkeit die Sorge für die Person (Personensorge) und/oder für das Vermögen (Vermögenssorge) zu übernehmen und/oder sie im Rechtsverkehr zu vertreten (Art. 360 ff. ZGB Schweiz). Sofern ein rechtmäßiger Vorsorgeauftrag besteht, werden die gesetzlichen Vorschriften des Erwachsenenschutzrechtes verdrängt.

Voraussetzungen sind, dass der Vorsorgeauftraggeber zum Zeitpunkt handlungsfähig ist. Dafür muss er volljährig und urteilsfähig (Art. 13 f. ZGB Schweiz) sein. Der Vorsorgeauftrag wird jedoch erst für den Fall der Urteilsunfähigkeit des Auftraggebers erteilt. Zuständig für die Prüfung der Urteilsunfähigkeit des Auftraggebers ist dabei die Erwachsenenschutzbehörde (Art. 363 Abs. 2 ZGB Schweiz).

Der Vorsorgebeauftragte kann eine natürliche oder eine juristische Person sein. Sie muss zumindest bestimmbar sein. Es können auch mehrere Beauftrage ausgewählt werden. Da diese dann in der Regel nur gemeinsam handeln können, ist dies nur in Ausnahmefällen zu empfehlen. In den meisten Fällen ist es sinnvoller einen Hauptbeauftragen und einen Ersatzbeauftragen für den Fall, dass der Hauptbeauftragte rechtlich oder persönlich verhindert ist, auszuwählen.

Inhalt des Vorsorgeauftrags können kumulativ oder alternativ die Personensoge, die Vermögenssorge und die Vertretung im Rechtsverkehr sein, wobei jedoch in der Regel die Vertretung im Rechtsverkehr notwendig ist, um die Personen- bzw. Vermögenssorge zu gewährleisten. Der Auftraggeber muss dabei die Aufgaben des Beauftragten genau umschreiben und darf sogar Weisungen für die Erfüllung der einzelnen Aufgaben erteilen.

Die Personensorge umfasst die Betreuung des Auftraggebers und damit den Einsatz des Beauftragten, den Schwächezustand des Auftraggebers zu lindern bzw. eine Verschlechterung abzuwehren. Der Auftraggeber kann auch die Person damit beauftragen, in dessen Namen einer medizinischen Maßnahme die Zustimmung zu erteilen oder zu verweigern. Wenn der Auftraggeber sicher sein will, dass seine medizinischen Anweisungen befolgt werden, so ist zu empfehlen, dass er die Tatsache, dass ein Vorsorgeauftrag vorliegt und dessen Hinterlegungsort auf der Versichertenkarte eingetragen lassen.

Die Vermögenssorge umfasst die Erhaltung und Verwaltung des Vermögens und der Einkünfte des Auftraggebers. Auch hier darf der Auftraggeber bestimmte Maßnahmen einschränken.

Für die Vertretung im Rechtsverkehr ist es sinnvoll festzuhalten, welche Rechtshandlungen der Beauftragte vornehmen darf. Andernfalls ist im Einzelfall zu prüfen, ob die konkrete Rechtshandlung auch erlaubt ist. Im Zweifelsfall kann der Beauftragte die Erwachsenenschutzbehörde für eine Auslegung des Vorsorgeauftrages anrufen (Art. 364 ZGB Schweiz).

Der Vorsorgeauftrag muss entweder eigenhändig (handschriftlich) errichtet werden oder öffentlich beurkundet werden (Art. 361 Abs. 1 ZGB Schweiz). Er wird an einem Hinterlegungsort durch den Auftraggeber aufbewahrt und es kann auf Antrag beim Zivilbestandsamt in eine zentrale Datenbank eingetragen werden (Art. 361 Abs. 3 ZGB Schweiz), dass ein solcher Vorsorgeauftrag besteht. Der konkrete Inhalt wird aus Datenschutzgründen nicht gespeichert.

Der Auftraggeber kann seinen Vorsorgeauftrag jederzeit widerrufen. Eigenhändig verfasste Vorsorgeaufträge können durch eigenhändige Verfügung oder durch öffentliche Beurkundung widerrufen werden. Öffentlich beurkundete Vorsorgeaufträge müssen zwangsläufig durch öffentlich beurkundeten Widerruf erfolgen. Ebenfalls kann der Auftraggeber den Vorsorgeauftrag durch Vernichtung der Urkunde oder durch Errichtung eines neuen Vorsorgeauftrags widerrufen.

Die Unterschiede zur Vorsorgevollmacht in Deutschland

Wenn in Deutschland eine Betreuung angeordnet wird, kommt es nicht automatisch zu einer Beschränkung oder gar zum Verlust der Geschäftsfähigkeit. Erst dann, wenn zusätzlich seitens des Betreuungsgerichts ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet wird, ist die Geschäftsfähigkeit des Betroffenen eingeschränkt. Das Betreuungsgericht kann dabei den Einwilligungsvorbehalt individuell ausgestalten und auf bestimme Rechtsgeschäfte beschränken.

Achtung: Eine unter Betreuung stehende Person ist auch nicht zwangsläufig testierunfähig. In vielen Fällen ist eine unter Betreuung gestellte Person jedoch sowohl geschäftsunfähig nach § 104 Nr. 2 BGB als auch testierunfähig nach § 2229 Abs. 4 BGB. Wer wegen krankhafter Störung seiner Geistesfähigkeit, wegen Geistesschwäche oder einer Bewusstseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Erklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln, ist im Sinne von § 2229 Abs. 4 BGB testierunfähig. Zu diesem Zeitpunkt kann kein Testament mehr errichtet, widerrufen oder abgeändert werden. Jeder Einzelfall muss dabei einer Prüfung unterzogen werden. 

Während in Deutschland die Betreuung auf Grundlage der Vorschriften zur Geschäftsfähigkeit angeordnet wird, geht die Schweiz einen anderen Weg. In der Schweiz wird auf die Fähigkeiten abgestellt, im Allgemeinen Rechtshandlungen zu treffen. Hier wird somit auf die Urteilsfähigkeit des Betroffenen im Allgemeinen abgestellt. Nachdem die Hürde in der Schweiz nicht so hoch ist wie in Deutschland, sind die formalen Anforderungen an den Vorsorgeauftrag in der Schweiz umso höher. In Deutschland muss die Vorsorgevollmacht schriftlich, aber nicht unbedingt handschriftlich verfasst sein. Es kann dementsprechend auch ein vorgefertigtes Formular verwendet werden. Soll die Vollmacht auch die Belastung oder Übertragung von Grundstücken umfassen, so muss diese notariell oder von der Betreuungsbehörde öffentlich beglaubigt sein.

In der Schweiz hat der Ehegatte, der mit einer urteilsunfähigen Person einen gemeinsamen Haushalt führt oder ihr regelmäßig persönlich Beistand leitet, ein gesetzliches Vertretungsrecht nach Art. 374 Abs. 1 ZGB Schweiz. Dies ist in Deutschland nicht automatisch der Fall. Außerhalb des Notvertretungsrechts nach § 1358 BGB (zur Gesundheitssorge aufgrund von Bewusstlosigkeit oder Krankheit) darf ein Ehegatte den anderen nur vertreten, wenn er über eine Vorsorgevollmacht für den anderen Ehegatten verfügt oder wenn er vom Betreuungsgericht zum rechtlichen Betreuer des anderen Ehegatten bestellt wurde. Das Notvertretungsrecht ist auf maximal sechs Monate begrenzt und greift, wenn ein Ehegatte aufgrund von Bewusstlosigkeit oder Krankheit seine Angelegenheiten der Gesundheitssorge nicht mehr besorgen kann. Der Ehegatte kann insbesondere in ärztliche Eingriffe und in Behandlungsverträge einwilligen. Zu einer bestehenden Betreuung oder Vorsorgevollmacht ist das Ehegattennotvertretungsrecht nachrangig.

In Deutschland sind die Betreuungsgerichte an vielen Orten überbelastet, so dass die Gerichte nicht in der Lage sind, hinreichend auf die individuellen Wünsche und Bedürfnisse der Betroffenen einzugehen. Deshalb ist es sehr wichtig, Vorsorgevollmachten konkret nach Ihren Vorstellungen abzustimmen.

Generell müssen Ihnen die weitreichenden Folgen des Vorsorgeauftrags und der Vorsorgevollmacht genauestens bekannt sein. Immerhin geht es um wichtige Entscheidungen über Ihre Gesundheit und Ihr Vermögen. Es ist deshalb wichtig, dass Sie volles Vertrauen zu dieser Person haben. 

Gerne beraten wir Sie zu diesem grenzübergreifenden Thema und erstellen mit Ihnen Ihren Vorsorgeauftrag und Ihre Vorsorgevollmacht, die speziell auf Ihre Wünsche und Bedürfnisse abgestimmt ist. Gerade wenn Sie über Vermögen in beiden Ländern verfügen, kann eine entsprechend gestaltete Vollmacht über viele potenzielle Probleme hinweghelfen.

Rechtsanwältin

Katharina Kutter

Als Rechtsanwältin für Familien- und Erbrecht und habe mich auf die Beratung von Unternehmen und vermögenden Privatpersonen in den Bereichen Vermögensnachfolge, Vermögensauseinandersetzung, Steuerrecht und familienrechtliche Vorsorgeplanung spezialisiert – mit einem besonderen Fokus auf grenzüberschreitende Sachverhalte. 

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