Doppelte Rechts­hängigkeit für Scheidungs­verfahren in zwei unter­schiedlichen Ländern

Weshalb ist der Stichtag so wichtig? Was unterscheidet die doppelte Rechtshängigkeit in Mitgliedstaaten der EU von der doppelten Rechtshängigkeit in Nicht-Mitgliedstaaten der EU?

Gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO stellt die doppelte Rechtshängigkeit ein Verfahrenshindernis dar.

Eine Klage ist demnach unzulässig, wenn der Kläger bereits zuvor in derselben Streitsache gegen dieselbe Partei eine Klage erhoben hat und diese andere Klage rechtshängig ist.

Die doppelte Rechtshängigkeit führt zur Abweisung der zweiten Klage als unzulässig, wobei es allein darauf ankommt, welche der beiden Klagen zuerst rechtshängig geworden ist.

Die Bedeutung des Stichtags

Die Rechtshängigkeit tritt mit der Zustellung des Scheidungsantrags an den Antragsgegner durch das zuständige Gericht ein. Ab diesem Datum gilt das Scheidungsverfahren vor dem zuständigen Familiengericht als eröffnet. Dieser Stichtag ist in drei Punkten wichtig:

  1. Die Ehezeit beginnt mit dem Anfang des Monats, in dem die Eheschließung vollzogen wurde und endet mit dem letzten Tag des Monats vor Eintritt der Rechtshängigkeit der Scheidung.
  2. Mit der Rechtshängigkeit endet das Ehegattenerbrecht, sofern die Scheidungsvoraussetzungen erfüllt sind.
  3. Die Rentenanwartschaften, die beide Ehegatten während der Ehezeit bis zu diesem Tag erworben haben, werden ausgeglichen.

Doppelte Rechtshängigkeit in Mitgliedstaaten der EU

Gemäß Art. 19 Abs. 1 EuEheVO setzt das später angerufene Gericht das Verfahren von Amts wegen aus, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts geklärt ist, wenn bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten (mit Ausnahme von Dänemark) Anträge auf Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungültigerklärung einer Ehe zwischen denselben Parteien gestellt werden.

Art. 16 EuEheVO regelt, wann ein Gericht als angerufen gilt.
In Mitgliedstaaten, in denen es auf die Zustellung an den Antragsgegner ankommt (wie z.B. in Deutschland), gilt das Gericht als angerufen, sofern der Antragsteller alle ihm obliegenden Maßnahmen getroffen hat, um die Antragsschrift bei Gericht einzureichen.

In Mitgliedstaaten, in denen die Zustellung an den Antragsgegner vor Einreichung bei Gericht bewirkt werden muss, ist auf den Zeitpunkt der Übergabe der Antragsschrift an die für die Zustellung verantwortliche Stelle abzustellen.

Welche die jeweils erforderlichen Maßnahmen sind, ist den jeweiligen Verfahrensordnungen des Gerichtsstaates zu entnehmen.

Doppelte Rechtshängigkeit in Nicht-Mitgliedstaaten der EU

In anderen Ländern – wie z.B. in der Schweiz oder in Monaco – ist die ausländische Rechtshängigkeit nach § 113 Abs. 1 S. 2 FamVG i.V.m. § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO analog zu prüfen. Im Gegensatz zu Art. 19 EuEheVO ist nicht in jedem Fall auf den Zeitpunkt der Anrufung abzustellen, sondern auf den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit im jeweiligen Land. Da eine Zustellung in Drittstatten häufig über die deutsche Auslandsvertretung erfolgt, kann eine solche Zustellung oft Monate in Anspruch nehmen.

Wann die Rechtshängigkeit im Ausland eintritt, beurteilt sich jedoch nach dem Gesetz des auswärtigen Gerichts. In manchen ausländischen Rechtsordnungen beginnt die Rechtshängigkeit bereits mit dem Einreichen der Antragsschrift. In der Schweiz bspw. beginnt die Rechtshängigkeit mit der Einreichung der Scheidungsklage (Art. 62 ZPO der Schweiz, Art. 9 Abs. 2 IPRG).

So ist es demnach möglich, dass die ausländische Rechtshängigkeit ein inländisches Scheidungsverfahren blockiert, obwohl der Scheidungsantrag des ausländischen Verfahrens später zugestellt wurde als derjenige des inländischen Verfahrens.

Die Rechtshängigkeitssperre wirkt dem inländischen Gericht aber nur dann entgegen, wenn das ausländische Urteil voraussichtlich anerkannt wird (sog. Anerkennungsprognose). Diese richtet sich nach § 109 FamFG, sofern die Anerkennung nicht staatsvertraglich geregelt ist. Es wird geprüft, ob das deutsche Gericht bei spiegelbildlichen Voraussetzungen international zuständig wäre und ob das verfahrenseinleitende Schriftstück ordnungsgemäß zugestellt wurde. Wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind, bedeutet dies nicht zwangsläufig die Abweisung eines im Inland gestellten Antrages als unzulässig. Das Gericht kann das Verfahren dann aussetzen, wenn die Anerkennungsprognose unsicher ist und Nachteile dadurch entstehen könnten, dass ein zunächst als anerkennungsfähig erachtetes Urteil am Ende doch nicht anerkannt wird.

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Rechtsanwältin

Katharina Kutter

Als Rechtsanwältin für Familien- und Erbrecht und habe mich auf die Beratung von Unternehmen und vermögenden Privatpersonen in den Bereichen Vermögensnachfolge, Vermögensauseinandersetzung, Steuerrecht und familienrechtliche Vorsorgeplanung spezialisiert – mit einem besonderen Fokus auf grenzüberschreitende Sachverhalte. 

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