Pflichtteilsrecht in Deutschland
Der Pflichtteil ist eine gesetzlich geregelte Mindestbeteiligung am Nachlass eines Erblassers, der sowohl enterbten als auch nicht ausreichend bedachten Verwandten (Zusatzpflichtteil, § 2305 BGB) zusteht. Kinder des Erblassers sind grundsätzlich anspruchsberechtigt (§ 2303 I 1 BGB), egal ob sie ehelich, außerehelich oder adoptiert sind. Ehegatten und eingetragene Lebenspartner haben neben den Kindern ebenfalls immer einen Anspruch auf den Pflichtteil, § 2303 II 1 BGB. Enkel haben nur einen Anspruch, sofern die Kinder des Erblassers bereits verstorben sind. Eltern sind nur dann pflichtteilsberechtigt, wenn der Verstorbene keine Kinder oder Enkelkinder hinterlässt, § 2309 BGB. Geschwister des Erblassers gehören zwar zur gesetzlichen Erbfolge, sie sind aber nicht pflichtteilsberechtigt.
Die Höhe des Pflichtteils hängt von der Pflichtteilsquote und vom Nachlasswert ab. Die Pflichtteilsquote beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, § 2303 I 2 BGB. Wenn Sie nach der gesetzlichen Erbfolge die Hälfte des Vermögens erben würde, so beträgt Ihr Pflichtteil ein Viertel. Zur Berechnung des Nachlasswerts ist ein Nachlassverzeichnis notwendig, das die Erben erstellen müssen. Dabei müssen alle Aktiva, Passiva und Schenkungen des Erblassers berücksichtigt werden.
Wenn Ihnen ein Anspruch auf den Pflichtteil oder ein Zusatzpflichtteil zusteht, so können Sie von den Erben die Zahlung in Geld verlangen.
Pflichtteilsrecht in der Schweiz
Beim schweizerischen Pflichtteilsrecht handelt es sich um zwingendes Recht, das den Erben eine minimale Wertquote am Nachlass einräumt. Pflichtteilsberechtigte haben dabei das Recht auf einen Erbanteil. Gemäß Artikel 471 ZGB beträgt der Pflichtteil ebenfalls die Hälfte des gesetzlichen Erbanspruchs. Die andere Hälfte wird „freie Quote“ genannt und mit ihr kann jede beliebige Person oder auch Stiftung bzw. Verein begünstigt werden. Bis Ende 2022 betrug der Pflichtteil noch ¾ für die Kinder und ½ für die Eltern des Erblassers. Nun erben Eltern nur noch gemäß der gesetzlichen Erbfolge und demnach nur, wenn der Erblasser keine Nachkommen hat und die freie Quote nicht anderweitig mit einem Testament bzw. Erbvertrag geregelt wurde.
Sofern Erben der Meinung sind, ihr Pflichtteil sei vom Erblasser verletzt worden, müssen sie die Initiative ergreifen und eine Herabsetzungsklage nach Artikel 522 ff. ZGB anstreben. Diese muss innerhalb eines Jahres ab Kenntniserlangung vom Tod des Erblassers erfolgen. Je nach Situation ist bereits innert Monatsfrist die Ausstellung der Erbenbescheinigung zu verhindern.
Die häufigsten Gründe für Herabsetzungsklagen stellen die Verletzungen der Pflichtteilsquoten im Testament oder in einem Erbvertrag dar. Ebenfalls können große Schenkungen zu Lebzeiten ins Gewicht fallen, wenn sie innerhalb der letzten fünf Jahre vor dem Tod des Erblassers erfolgt bzw. frei widerruflich sind.
Unterschiede zwischen Deutschland und der Schweiz
Neben kleinen Unterschieden in der Berechnung des Nachlasswertes besteht der wichtigste Unterschied darin, dass in der Schweiz die Pflichtteilsberechtigten automatisch Miterben werden. In Deutschland steht Pflichtteilsberechtigten lediglich ein schuldrechtlicher Ausgleichsanspruch gegen die tatsächlichen Erben zu. Am Ende bekommen die Pflichtteilsberechtigten jedoch nur eine Zahlung in Geld und werden somit nur indirekt am Erbe des Erblassers beteiligt.
Sie können eine ungewollte Erbengemeinschaft aber unter Umständen verhindern, indem Sie eine Rechtswahl zu treffen. Sie können entweder das Erbrecht des Landes wählen, in dem sie leben oder dasjenige des Landes wählen, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen. Wenn Sie als deutscher Staatsangehöriger in der Schweiz leben und einen Pflichtteilsberechtigten vom Erbe ausschließen wollen, so kann es vorteilhaft sein, das deutsche Erbrecht für Ihren Erbfall zu wählen. So verhindern Sie, dass automatisch eine Erbengemeinschaft mit dem Enterbten entsteht. Der Enterbte kann dann – sofern er pflichtteilsberechtigt ist – gegen den Erben einen schuldrechtlichen Ausgleichsanspruch geltend machen. Er wird jedoch nicht Miterbe.
Sie haben Fragen in einem grenzüberschreitenden Fall? Gerne helfen wir Ihnen weiter und finden mit Ihnen die nach Ihren Wünschen abgestimmte Lösung für Ihren Fall. Sollten Sie das Gefühl haben, in einem Erbfall nicht ausreichend bedacht worden zu sein, prüfen wir dies gerne für Sie! Gerne beraten wir Sie in Konstanz oder Zürich sowie auch unkompliziert zu Hause im Rahmen einer Telefon-oder Video-Konferenz.