Allgemeine Informationen und Zuständigkeiten
Im deutschen Recht geht der Nachlass einer verstorbenen Person („Erblasser“) unmittelbar auf den oder die Erben über (sogenannte „Universalsukzession“).
Zum Nachweis, wer Erbe geworden ist, dienen der „Erbschein“ oder das „Europäische Nachlasszeugnis“ (ENZ). Diese Nachweise werden durch das zuständige Nachlassgericht in Deutschland bzw. das Nachlassgericht des letzten gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers (falls im Ausland entsprechend ausländisches Gericht) auf Antrag eines Erben oder mehrerer Miterben ausgestellt. Durch den Antrag auf Ausstellung eines Erbscheins oder ENZ gibt der Erbe ferner auch zu erkennen, dass er die Erbschaft angenommen hat.
Achtung: Sofern der Erblasser nach dem 16.08.2015 im Ausland verstorben ist und seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hatte wird von deutschen Gerichten im Regelfall kein Erbnachweis ausgestellt, da keine Zuständigkeit gegeben ist, selbst wenn nur Nachlass in Deutschland vorhanden ist, es sei denn, der Erblasser hatte eine ausdrückliche Rechtswahl in das deutsche Recht getroffen (weitergehende Informationen dazu siehe weiter unten).
In manchen Fällen, so zum Beispiel, wenn der Nachlass überschuldet ist, kann es ratsam sein, die Erbschaft nach dem Erblasser auszuschlagen. Hierfür muss der Erbe innerhalb einer bestimmten Frist dem Nachlassgericht gegenüber erklären, dass er die Erbschaft ausschlägt. Wer die Erbschaft nicht innerhalb der Frist ausschlägt, ist Erbe geworden.
Beantragung eines Erbscheins
Einen Erbschein muss man grundsätzlich nur vorlegen, wenn kein notarielles Testament und auch kein notarieller Erbvertrag vorhanden sind. Mit dem Erbschein ist amtlich beurkundet, wer Erbe oder Erbin der verstorbenen Person ist und welchen Umfang die Erbschaft hat. Privatschriftliche und eigenhändige Testamente sollten zumindest beglaubigt sein, damit sie auch vor dem Grundbuchamt und den Banken gültig sind. Zu beantragen ist der Erbschein bei dem Nachlassgericht, in dessen Bezirk der Verstorbene zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.
Den Erbschein wird regelmäßig gefordert, um gegenüber Banken zur Auszahlung von Guthaben und eventuellen Käufern von Immobilien zu belegen, dass man hierzu berechtigt ist.
Das Nachlassgericht prüft bei der Ausfertigung des Erbscheines nur den Sachstand zum Zeitpunkt des Erbfalles. Bei Erbengemeinschaften sind Streitigkeiten um das Erbe an der Tagesordnung und aktuellere Gerichtsurteile geben den Berechtigten stets den Vorrang. Der ausgestellte Erbschein kann von den Miterben ebenso angefochten werden, wie das Testament, wenn das Gericht feststellt, dass es unrichtige Angaben enthält.
Beantragung eines Europäischen Nachlasszeugnisses (ENZ)
Bei Erbfällen, die nach dem 16.08.2015 eingetreten sind, besteht die Möglichkeit, ein ENZ zu beantragen. Die Beantragung des ENZ ist immer dann in Betracht zu ziehen, wenn der Nachweis der Erbschaft in mehreren Mitgliedstaaten der EU nachzuweisen ist.
Ein ENZ steht in vielerlei Hinsicht dem deutschen Erbschein gleich, jedoch gelten eigenständige Verfahrensregeln (§§ 33 ff. IntErbRVG). Die Ausstellung eines ENZ verlangt, dass es als Nachweis in einem anderen Mitgliedstaat verwendet werden soll. Wie auch bei einem Erbschein ist ein Antrag, die Vorlegung bestimmter Schriftstücke sowie regelmäßig eine eidesstattliche Versicherung erforderlich. Zuständig zur Ausstellung des ENZ sind gemäß Art.4 der EU Erbrechtsverordnung (Verordnung EU Nr. 650/2012, EU ErbVO) regelmäßig die Gerichte des Landes, in dem der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.
Vor- und Nachteile des Erbscheins und des ENZ
Ein Vorteil des herkömmlichen Erbscheins besteht darin, dass er genau auf den deutschen Rechtsbereich zugeschnitten ist. Das ENZ ist dagegen inhaltlich vielseitiger und soll in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union seine Wirkung entfalten: Es kann nur die Rechtslage wiedergeben, die auf die Erbnachfolge insgesamt Anwendung findet.
In den Wirkungen entsprechen sich Erbschein und ENZ, wobei der Gutglaubensschutz des Erbscheins weitreichender ist. Der Erbschein ist zeitlich unbegrenzt gültig, während das ENZ grundsätzlich nur 6 Monate gültig ist. Eine Verlängerung der Gültigkeitsfrist oder eine neue beglaubigte Abschrift kann bei dem zuständigen Gericht gegen Zahlung einer Gebühr beantragt werden.
Im ausschließlichen Anwendungsbereich deutschen Rechts wird es regelmäßig keinen Unterschied machen, ob ein Erbschein oder ein ENZ vorgelegt wird. Das ENZ bietet jedoch bei im Ausland belegenen Nachlass den Vorteil, dass es auch dort als Nachweisdokument genutzt werden kann. Dies bedeutet, dass es vorteilhaft sein kann, ein ENZ zu beantragen, wenn sich der Nachlass des Erblassers beispielsweise in Deutschland und Frankreich befindet und in beiden Mitgliedstaaten ein Nachweis benötigt wird. Ein Nachweis ist regelmäßig erforderlich, wenn etwa auf ein Konto des Erblassers zugegriffen werden soll oder insbesondere, wenn ein Grundstück des Erblassers betroffen ist.
Bei Vorliegen der Voraussetzungen zur Ausstellung eines ENZ durch ein zuständiges ausländisches Gericht kann das deutsche Nachlassgericht die Ausstellung eines Erbscheins allein für den deutschen Rechtsbereich verweigern.
Wenn der Erblasser bis einschließlich 16.08.2015 verstorben ist, kann nur der Erbschein beantragt werden.
Überlegungen zum eigenen Nachlass
Auch wenn viele Menschen die gedankliche Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod aus nachvollziehbaren Gründen scheuen, ist es sinnvoll, sich frühzeitig mit der eigenen Nachlassplanung zu beschäftigen.
Überlegen Sie zum Beispiel, wo Sie Ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Überlegen Sie, welche Nachlassverteilung Ihren Wünschen entspricht und ob Sie, damit diese eintritt, eine entsprechende Verfügung von Todes wegen treffen (in der Regel heißt das: ein Testament machen) müssen. Überlegen Sie, ob es in Ihrem Fall nötig ist, die oben beschriebene Rechtswahl zu treffen.
Falls Sie schon ein Testament gemacht haben, prüfen Sie dieses. Ergänzen Sie es gegebenenfalls um eine Rechtswahlklausel. Beachten Sie dabei jedoch, dass Ihre Ergänzung nach dem Recht der Errichtung des Testaments formgültig ist.