Die Besonderheiten und der Ablauf einer internationalen Scheidung

In Zeiten internationaler Mobilität und grenzüberschreitender Partnerschaften sind auch Ehen mit Auslandsbezug keine Seltenheit mehr. Doch was passiert, wenn sich solche Paare scheiden lassen möchten?

Eine Scheidung mit internationalen Elementen bringt besondere rechtliche Fragen mit sich: Welches Gericht ist zuständig? Welches Recht wird angewendet? Und wird meine Scheidung überhaupt anerkannt?

Was ist eine Scheidung mit Auslandsbezug?

Ein internationales Scheidungsverfahren liegt immer dann vor, wenn mindestens ein Ehegatte eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzt, im Ausland lebt oder die Ehe im Ausland geschlossen wurde. Auch wenn beide Ehepartner Deutsche sind, aber dauerhaft im Ausland wohnen, kann ein internationaler Bezug bestehen.

Beispiel: Ein deutscher Staatsangehöriger lebt mit seiner französischen Ehefrau in der Schweiz. Das Paar möchte sich trennen. Nun stellt sich die Frage, ob die Scheidung in Deutschland, Frankreich oder der Schweiz durchgeführt werden soll – und welches nationale Recht dabei anzuwenden ist.

Gut zu wissen: Es gibt einen Unterschied zwischen Gerichtszuständigkeit und anzuwendenden Recht! Zwar wird ein deutsches Gericht in den allermeisten Fällen auch deutsches Recht anwenden. Es kommt aber auch vor, dass man sich vor deutschen Gerichten nach ausländischem Recht scheiden lässt!

Gerichtszuständigkeit nach EU-Recht – Brüssel IIb-Verordnung

Für Ehepaare mit Bezug zu einem EU-Mitgliedstaat (ausgenommen Dänemark) regelt die Brüssel IIb-Verordnung die internationale Zuständigkeit der Gerichte. Maßgeblich ist Artikel 3 dieser Verordnung. International zuständig sind die Gerichte:

  • Am gewöhnlichen Aufenthaltsort beider Ehegatten oder eines Ehegatten
  • Am letzten gemeinsamen Aufenthaltsort, sofern einer der Ehegatten dort noch lebt
  • Am Aufenthaltsort des Antragsgegners oder Antragsstellers (unter Bedingungen)
  • Oder in dem Land, dessen Staatsangehörigkeit beide Ehegatten besitzen

Diese Regelung dient der Vorhersehbarkeit und verhindert einen Zuständigkeitswettlauf.

Welches Recht gilt? – Rom III-Verordnung

Die Frage, welches materielle Scheidungsrecht anzuwenden ist, regelt für viele europäische Länder die Rom III-Verordnung. Ehegatten können danach gemäß Artikel 5 eine Rechtswahl treffen. Diese Vereinbarung unterliegt der notariellen Beurkundung (oder im laufenden Verfahren der gerichtlichen Protokollierung, Art. 5 Abs. 3 S. 2 Rom-III-VO i.V.m. Art. 46e Abs. 2 S. 2 EGBGB i.V.m. § 127a BGB) und kann z.B. deutsches, französisches oder spanisches Recht bestimmen. Diese Möglichkeit der Rechtswahl soll den Ehepartnern mehr Flexibilität und Rechtssicherheit ermöglichen.

Liegt keine solche Vereinbarung vor, gelten nach Artikel 8 Rom-III-VO folgende Anknüpfungspunkte:

  • Das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts beider Ehepartner
  • Falls nicht gegeben: das Recht des letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts, sofern einer dort noch lebt
  • Ansonsten: das Recht der gemeinsamen Staatsangehörigen 
  • Fehlt auch dies: das Recht des Staates des angerufenen Gerichts.

Scheidung mit Bezug zur Schweiz oder Drittstaaten

Bei Scheidungen außerhalb der EU – etwa in der Schweiz, den USA, Großbritannien oder der Türkei – gelten keine EU-Verordnungen. Es greifen dann die nationalen Regelungen und gegebenenfalls bilaterale oder multilaterale Abkommen.

In erster Linie sind EU-Verordnung für Binnensachverhalte der EU konzipiert. Trotzdem ist die Brüssel IIb-Verordnung grundsätzlich auch in Bezug zu Drittstaaten anwendbar, da sie eine einheitliche Zuständigkeitsordnung für die Europäische Union schafft. Die Verordnung verdrängt das nationale Zuständigkeitsrecht, soweit die Verordnung selbst keine abweichenden Regelungen trifft. Dies bedeutet, dass Gerichte in Mitgliedstaaten ihre Zuständigkeit zuerst anhand der Brüssel IIb-Verordnung prüfen müssen, auch wenn es sich um einen Sachverhalt mit Drittstaatenbezug handelt. Die Anwendbarkeit der EU-Verordnung kann auch dazu führen, dass im konkreten Fall das Recht des Drittstaates gilt.

Es ist jedoch zu beachten, dass die Brüssel IIb-Verordnung nicht in allen Fällen die Zuständigkeit der Gerichte regelt. In bestimmten Situationen kann es notwendig sein, auf nationale Zuständigkeitsvorschriften zurückzugreifen, insbesondere wenn die Verordnung keine klare Zuständigkeitsregelung trifft.

Für solche Fälle finden sich die für Deutschland einschlägigen Normen im Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB), insbesondere Artikel 17 für das Scheidungsstatut und Artikel 14, 15 EGBGB für das anzuwendende Personenrecht. Auch hier spielen der gewöhnliche Aufenthalt und die Staatsangehörigkeit eine zentrale Rolle. 

Bezüglich des anwendbaren materiellen Rechts sieht Art. 4 Rom-III-Verordnung explizit die „Universelle Anwendung“ der Verordnung vor. Das nach der Verordnung bezeichnete Recht umfasst somit auch das Recht eines nicht teilnehmenden Mitgliedstaates.

Bei Eheleuten, die in Deutschland leben, jedoch beide die alleinige iranische Staatsbürgerschaft besitzen, kommt das Deutsch-Iranische Niederlassungsabkommen von 1929 zur Anwendung, welches gemäß Art. 19 Abs. 2 Rom-III-VO vorgeht, sofern Art. 12 GFK nicht einschlägig ist. Gemäß Art. 8 Abs. 3 Deutsch-Iranisches Niederlassungsabkommen ist das Heimatrecht anzuwenden.

Ablauf der internationalen Scheidung – Schritt für Schritt

Ein Scheidungsverfahren mit Auslandsbezug verläuft in mehreren Schritten. Internationale Scheidungen erfordern neben rechtlicher Expertise auch strategisches Vorgehen.

Schritt 1: Erstberatung und Prüfung der Zuständigkeit

Zu Beginn erfolgt eine sorgfältige Analyse des Sachverhalts: Wo wurde die Ehe geschlossen? Wo hatten die Ehegatten ihren Wohnsitz? Wo leben die Ehegatten aktuell? Welche Staatsangehörigkeiten haben sie?

Auf dieser Grundlage wird sorgfältig geprüft, ob ein deutsches oder ausländisches Gericht zuständig ist. Maßgeblich sind dabei der oben genannten Bestimmungen der Brüssel IIb-Verordnung oder – bei Drittstaaten – § 98 FamFG in Verbindung mit den allgemeinen Vorschriften des deutschen internationalen Zivilprozessrechts.

Schritt 2: Feststellung oder Vereinbarung des anwendbaren Rechts

Sobald die Zuständigkeit geklärt ist, stellt sich die Frage: Welches materielle Recht gilt für die Scheidung?

Hierbei achten wir darauf, ob eine Rechtswahlvereinbarung (gemäß Artikel 5 Rom III-VO) bereits vorliegt, oder ob es im Einzelfall möglich und sinnvoll erscheint, eine solche noch zu treffen. Die Eheleute können die Rechtswahl noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug vornehmen, Art. 5 Abs. 3 Rom-III-VO i.V.m. Art. 46e Abs. 2 S. 1 EGBGB.

Ohne eine solche Vereinbarung wird das anzuwendende Recht anhand der in Artikel 8 Rom-III-VO genannten, objektiven Kriterien bestimmt. 

Schritte 1 und 2 sind keinesfalls zu unterschätzen! Bereits hier kann ein „Gerichtsstandforum-Shopping“ von Bedeutung sein, da manche Gerichte z.B. günstiger in Unterhaltsfragen entscheiden. Wenn verschiedene Gerichte zuständig sind und die Anwendung verschiedener Rechtsordnungen möglich ist, lohnt sich, bereits im Vorfeld zu untersuchen, welcher Ausgang für unseren Mandanten günstiger ist. Hierzu beraten wir uns mit ausländischen Rechtsanwälten, um für unsere Mandanten strategisch die günstigste Wahl zu treffen. 

Schritt 3: Einreichung des Scheidungsantrags

Der Antrag wird beim örtlich und international zuständigen Familiengericht eingereicht (für Deutschland: § 122 FamFG i.V.m. Art. 3 Brüssel IIb-VO). Bei einem Auslandsbezug müssen relevante Dokumente (z.B. Heiratsurkunde, Nachweise des gewöhnlichen Aufenthalts, ausländische Urteile) ggf. beglaubigt und übersetzt eingereicht werden, sofern nicht bereits internationale Urkunden vorliegen.

Schritt 4: Durchführung des gerichtlichen Verfahrens

In Deutschland folgt das Verfahren dem FamFG (Gesetz über das Verfahren in Familiensachen). Im Ausland gelten die ausländischen Verfahrensregeln. 

Typische Verfahrensschritte sind:

  • Prüfung der Scheidungsvoraussetzungen (z.B. Trennungszeit)
  • Anhörung der Ehegatten
  • Gegebenenfalls auch Anhörung der Kinder (für Sorgerechtsfragen; je nach Alter)

Schritt 5: Entscheidung und Anerkennungsverfahren

Nach rechtskräftigem Abschluss ist die Scheidung wirksam. Bei EU-Urteilen ist keine besondere Anerkennung notwendig (Art. 30 ff. Brüssel IIb-VO). Die Anerkennung erfolgt hier automatisch und es genügt ggf. eine Bescheidung nach Art. 36 Brüssel IIb-VO. Für Scheidungen außerhalb der EU ist ein förmliches Anerkennungsverfahren nach § 107 FamFG bei der zuständigen Landesjustizverwaltung erforderlich, so dass diese in Deutschland anerkannt werden. 

Schritt 6: Regelungen der Folgesachen (Unterhalt, Sorgerecht, Vermögen)

Die Folgesachen werden meistens auch im Scheidungsverfahren mitgeregelt. Bestimmte Fälle erfordern jedoch oft gesonderte Regelungen oder Verfahren.

Internationale Scheidungen betreffen häufig Folgesachen mit Auslandsbezug:

  • Unterhalt: Anwendung des Haager Unterhaltsübereinkommen 2007 i.V.m. § 98 Abs. 1 FamFG
  • Sorgerecht und Umgangsrecht: Anwendung der Brüssel IIb-VO und internationaler Übereinkommen wie dem Haager Kinderschutzübereinkommen (KSÜ)
  • Güterrecht/Vermögensaufteilung: Anwendung des Haager Ehegüterstatuts oder der EU-Güterrechtverordnung VO (EU) 2016/1103
  • Versorgungsausgleich: Bei Auslandsbezug unterliegt dieser § 17 VersAusglG i.V.m. § 109 FamFG

Je nach Konstellation kann es erforderlich sein, ausländische Rechtsanwälte, Steuerberater, Behörden (z.B. Konsulate) oder Gerichte in das Verfahren einzubeziehen.

Internationale Scheidungen sind komplex – sowohl rechtlich als auch organisatorisch. Zuständigkeit, anwendbares Recht, Anerkennung ausländischer Entscheidungen und sprachliche Barrieren erfordern strukturierte Planung und fach- und landesübergreifende Beratung. Unsere Kanzlei unterstützt Sie bei allen Schritten – von der strategischen Rechtswahl bis zur Vollstreckung ausländischer Entscheidungen – kompetent, mandantenorientiert und mit langjähriger internationaler Erfahrung.

Wir beraten Sie gerne auf Deutsch, Englisch und Französisch!

Rechtsanwältin

Katharina Kutter

Als Rechtsanwältin für Familien- und Erbrecht und habe mich auf die Beratung von Unternehmen und vermögenden Privatpersonen in den Bereichen Vermögensnachfolge, Vermögensauseinandersetzung, Steuerrecht und familienrechtliche Vorsorgeplanung spezialisiert – mit einem besonderen Fokus auf grenzüberschreitende Sachverhalte. 

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